Donnerstag, Mai 22, 2008

Die Komfortlüftung

1. Einleitung


Die Bauweise hat sich in den letzten 15 Jahren stark verändert und weiterentwickelt. Materialeigenschaften, Energieverbrauch und der Wohnkomfort werden vermehrt stärker im Planungsprozess beachtet. Die Gebäudehülle ist unter vielen Aspekten von zentraler Bedeutung, auch im Bezug auf das Lüften. Der natürliche Luftwechsel im Innern eines Gebäudes wird durch die im Laufe der Zeit stark verbesserte Dichtungen bei Türen und Fenstern deutlich vermindert. Vom Aspekt des Energieverbrauchs her gesehen ist das sicher positiv. Jedoch können beim dichten Bauen je nach Verhalten des Bewohners auch neue Probleme auftauchen, die zu einer Verminderung des Komforts führen können. Entweder durch verbrauchte Luft oder durch die zu hohe Raumluftfeuchtigkeit, welche Bauschäden zur Folge hat.
Die erwähnten Probleme können dabei von einer kontrollierten Wohnungslüftung gelöst werden. Der Wohnkomfort kann mit entsprechenden Technikgeräten verbessert und der Energieverbrauch kann stark vermindert werden.


2. Aus welchem Grund lüften?

Zur Erreichung und Erhaltung eines angenehmen Raumklimas ist ein Luftaustausch notwendig. Frischluft muss die verbrauchte Raumluft ersetzen, welche durch verschiedene Faktoren belastet wird:
Gerüche: entstehen durch den Menschen selbst, durch Haustiere und diverse Einrichtungen in der Wohnung.
Feuchte: entsteht vor allem durch duschen, kochen, waschen, atmen und durch Pflanzen.
Schadstoffe: entstehen von oder durch Formaldehyd von Inneneinrichtungen, Reinigungs- und Lösungsmittel, Tabakrauch, Radongas aus dem Beton und dem Untergrund, Stickoxid und Kohlenmonoxid durch das Kochen mit Gas.



Mit dem Lüften stehen verschiedene unangenehme Luftbewegungen in Zusammenhang. Dies sind z.B. Luftzug, Wärmeverluste und Lärmemissionen. Heute wird allgemein weniger gelüftet als früher, meist um Heizenergie zu sparen. Der geringe Luftwechsel im Gebäude kann im Winter wegen zu hoher Luftfeuchtigkeit zu Bauschäden führen, es bilden sich graue Stellen und Schimmel kann sich bilden. Normalerweise hat man sich jeweils zwischen einem Dauerlüften (Dauerhaft gekippte Fensterflügel) und dem Stosslüften (Fenster werden regelmäßig für eine kurze Zeit geöffnet) entscheiden. Dabei sind, vor allem beim Dauerlüften, hohe Energieverluste in Kauf zu nehmen.

Luftwechselraten und empfohlene Zufuhr an Frischluft

Nutzung Frischluftmenge Luftwechsel
Nichtraucher 12-30 m3/h Person ca. 0.4/h
Raucher 30-70 m3/h Person ca. 0.8/h


3. Berechnung der Zuluft

Anhand der Zahl von Wohn-, Schlaf- und Arbeitszimmer wird der Zuluftvolumenstrom festgelegt. Es werden allen Zimmern, ausser denjenigen, die sich im Durchströmbereich befinden, Zuluft zugeführt.
Faustregel: Jedes Wohn-, Schlaf- und Arbeitszimmer erhält 30 m3/h Zuluft
Das Merkblatt 2023 der SIA zeigt ein ähnliches Verfahren auf. Diese Werte weichen aber nicht merklich von der genannten Faustregel ab:

Nutzung Abluftvolumenstrom
Küche 40 m3/h
Bad, Dusche 40 m3/h
WC (ohne Dusche) 20 m3/h

Die Werte aus der Tabelle „minimaler Abluftvolumenstrom“ können bei Wohnungen mit weniger als drei Zimmern um bis zu 30% reduziert werden. Bei der Berechnung dieser Tabelle wird von einem ganzjährigen Dauerbetrieb ausgegangen.


4. Aus welchem Grund kontrolliert lüften?

Die Thematik rund ums Lüften/Luftwechsel blieb trotz diverser technischer Entwicklungen an der Haustechnik und an der Bauhülle weitgehend unbeachtet.
Neben dem normalen Fensterlüften waren bisher nur Lüftungsanlagen in innen liegenden Sanitärräumen und in Küchen bekannt. Heute sind hierzulande bloss 13 von 100 Wohnbauten mit einer Abluftanlage ausgestattet. Bei den Lüftungsanlagen sind es 2 von 100. Bei den anderen 85% kommt die normale Fensterlüftung zum Einsatz. Der Luftwechsel durch Fenster- und Türfugen reicht heute bei neuen, gut gedämmten und dichten Wohnbauten nicht mehr aus, um für ein gesundes Raumklima zu sorgen.
Durch die gesteigerten Komfortansprüche, im Zusammenhang mit der modernen Bauweise, drängt sich die Methode der kontrollierten Wohnungslüftung ja richtiggehende auf. Die erste Anforderung an die Baute ist nämlich eine dichte Gebäudehülle, gefolgt von derjenigen der Dichten Fenster und Türen. Meist ist dies jedoch heutzutage bei Neubauten auch der Fall. Bei Umbauten oder Verbesserungen an bestehenden Bauten ist der Dichtheit der beispielsweise neu eingesetzten Fenster und Türen besondere Aufmerksamkeit zu schenken.


5. Vor- und Nachteile der Komfortlüftung im Vergleich zur Fensterlüftung:

Vorteile:
- weniger Energieverbrauch
- Abführen von Feuchtigkeit und Schadstoffen
- gute Raumluftqualität
- gefilterte Aussenluft (frei von Pollen und Staub)
- weniger Lärmemissionen von aussen
- angepasster Luftwechsel möglich
- kein Luftzug
- besserer Komfort durch aufgewärmte Zuluft
- geschlossene Fenster erhöhen die Sicherheit
- Sonnenwärme durch Sonnenkollektoren

Nachteile:
- Kosten für Installation und Betrieb der Anlage
- Anlage und Kanäle brauchen Platz und seriöse Planung
- Aufwand für Wartung und Reinigung (gering)
- Zusätzlicher Stromverbrauch durch Ventilatoren im Lüftungsgerät


6. Lüftungssysteme

6.1 Kontrollierte Lüftung mit Wärmerückgewinnung
Dabei wird die Luft von aussen je nach Bedarf den einzelnen Innenräumen zugeführt. Die Abluftwärme kann per Wärmerückgewinnung mit bis zu zwei Drittel der Zuluft wieder zugeführt werden. Die kontrollierte Lüftung wird vor allem in Neubauten mit kleinem Energiebedarf eingesetzt.

Prinzip eines Zu- und Abluftsystems mit Wärmerückgewinnung:



Funktionsweise:

Zuluft: Aussenluft wird durch Ventilatoren angesaugt und mit dem Wärmetauscher aufgewärmt, geht durch einen Luftfilter, eventuell wird sie nachgewärmt du schlussendlich den Wohn- und Schlafräumen zugeführt.
Abluft: Luft wird in Bad/WC und der Küche abgesaugt, geht erneut durch einen Luftfilter und wird dann über das Dach ausgeblasen.

Erfahrungen und Messungen verdeutlichen, dass die Platzierung der Zuluft-Durchlässe in üblichen Wohn-, Schlaf-, und Arbeitszimmern eine untergeordnete Rolle spielt. Wand, Decke und Boden kommen dabei in Frage. Es ist höchstens zu beachten, dass der einblasende Luftstrahl nicht direkt auf einen Aufenthaltsbereich gerichtet ist, weil so Zugerscheinungen auftreten könnten.

Die Lösung mit einem Überström-Durchlass in Form des Türspalts ist wartungsfrei und kostenlos. Es reicht bereits eine Spalthöhe von 7mm, um einen Luftvolumenstom von 30 m3/h zu erreichen. Es können somit Standardtüren ohne Schwelle und ohne Planetdichtung eingesetzt werden. Die Bewohner müssen aber darüber informiert werden, dass kein Teppich in der Türöffnung liegen darf, um eine Durchlüftung zu gewährleisten.
Bedingungen/Konsequenzen für die Überströmung durch Türspalte:
- Ausblasrichtung darf nicht gegen Zonen mit dauerndem Aufenthalt gerichtet sein
- Das Schalldämmmass wird durch eine Tür ohne Planetdichtung geschwächt
Luftvolumenstrom ± 30 m3/h → Luftspalt = 7 mm
Luftvolumenstrom > 40 m3/h → Luftspalt = 10 mm
Bei Luftvolumenströmen von 40 m3/h (z.B. in Bädern) hat der Luftspalt eine Höhe von 10 mm und mehr aufzuweisen. Dabei ist zu erwähnen, dass hierbei Licht durch den Spalt dringen kann, was störend wirken kann. Je grösser der Spalt, umso schwächer das Schalldämmmass zum anderen Raum. Mit dem leicht geschwächten Schallschutz lässt sich jeweils noch gut leben, da wenn die Türen dauerhaft geschlossen sind (in der Nacht), das Bedürfnis nach Ruhe sowieso am grössten ist.

Bei hohen akustischen Anforderungen können aber auch schallgedämmte Überström-Durchlässe eingesetzt werden. Diese lassen sich in der Tür selbst, über der Tür oder in der Türzarge einbauen. Es muss geprüft werden, ob ein spezieller Überström-Durchlass spürbar weniger Schall durchlässt als ein Türspalt.

6.2 Luftheizsysteme
Diese Systeme funktionieren wie Komfortlüftungen, einzig mit dem Unterschied, dass sämtliche Radiatoren- und Fussbodenheizungen entfallen und die gesamte Raumwärme durch die Zuluft in die Räume gelangt. Ein solches System ist jedoch nur bei Niedrig- oder Nullenergiehäusern wirtschaftlich sinnvoll, damit der Stromverbrauch der Ventilatoren und die erforderlichen Luftmengen klein bleiben.
In den USA sind im Gegensatz zur Schweiz solche Luftheizsysteme weit verbreitet.

6.3 Normale Abluftgeräte
Durch Kleinventilatoren wird die Raumluft angesaugt und ins Freie befördert. Luft strömt durch Undichtigkeiten bei Fenstern und Türen, über das Cheminée oder den Zimmerofen nach. Als normale Abluftgeräte versteht man zum Beispiel WC-Ventilatoren oder einen herkömmlichen Küchenabzug.


7. Inbetriebnahme

Die Anlage darf nicht vor der Bauendreinigung in Betrieb genommen werden. Dabei muss die Sauberkeit beachtet und vor der Inbetriebnahme kontrolliert werden, sonst steht eine Reinigung an. Die Luftvolumenströme müssen in jedem Raum eingestellt, gemessen und protokolliert werden. Vor der während der Abnahme müssen die Luftfilter erneuert werden. Die Anlagebetreiber und die Bauherrschaft erhalten vor der Inbetriebnahme eine Einführung. Bei einem nötigen Luftfilterwechsel ist eine Vorführung mit einer Fachperson zu empfehlen.



8. Reflexion

In unseren Zeiten der Forschung, der Entwicklung und der Optimierung von verschiedenen Aspekten ist meiner Meinung nach dem Energiehaushalt am Meisten Beachtung zu schenken. Mit dem Entscheid, auch im Zusammenhang mit den erhöhten Ansprüchen an (Wohn-) Komfort, eine solche Komfortlüftung einzubauen, kann man einen kleinen, aber entscheidenden Beitrag dazu leisten. Das Bedürfnis nach einem angenehmen Raumklima geht sozusagen Hand in Hand mit dem Vorsatz eines besseren Energihaushalts. Es lohnt sich als Bauherr, in eine solche Anlage zu investieren, wenn man bedenkt, dass diese Mehrkosten in ein paar Jahren amortisiert sind. Man sollte es, auch in Anbetracht nachkommender Generationen, als Beitrag zur Erhaltung unserer Umwelt sehen. Eine Thematik, wo meiner Meinung nach der Hebel am richtigen Ort angesetzt wird.

9. Quellen/Links

http://www.bfe.admin.ch/
http://www.energie.zh.ch/
www.dka.ch/
http://www.wikipedia.de/


Patrick Wichser