Mittwoch, Mai 21, 2008

Energiepfähle - Dock Midfield Flughafen Zürich

Alle mit der Erde in Berührung stehenden Teile der Gebäudestruktur, z.B Fundationspfähle und -wände können als Wärmetauscher eingesetzt werden. Der Untergrund dient als Energiespeicher für das Beheizen und Kühlen grösserer Gebäude.



Als Geostrukturen werden diejenigen Fundationselemente eines Bauwerkes bezeichnet, die zur Verbesserung der Tragfähigkeit eines schlechten Baugrundes benötigt werden.


Energetische Geostrukturen


Die Bodentemperatur in einigen Metern Tiefe (15-20m) wird rasch konstant (9-11 °C im hiesigen Klima). Diese Temperaturniveau kann im Somme
r zur Kühlung und im Winter zur Beheizung verwendet werden.
Die zur Abstützung und Gebäudegrün
dung benötigten Geostrukturen jeder Grössenordnung lassen sich mit Wärmetauschern ausrüsten. Die mit dem Untergrund in Kontakt stehenden Betonpfähle und Betonwände werden dabei mit Kunststoffleitungen versehen, um die Wärme oder Kälte des Untergrundes auszutauschen. Diese Leitungen werden dann gebündelt einer oder mehreren Wärmepumpen zugeführt.
Die Wirkungsweise der Anlage basiert auf einem Jahreszyklus, bei dem während der Heizperiode dem Untergrund Wärme (Kälteeintrag in den Untergrund) und während der Kühlperiode Kälte entzogen wird (Wärmeeintrag). Die Vorteile einer solchen Anlage äussern sich in den reduzierten Betriebskosten aufgrund des Wegfalls von fossilen Brennstoffen (ca. 80%) und in einer Verminderung der CO 2 – Emission (45% bis 100%)

Energiepfähle

Armierte Betonpfähle haben meist einen Durchmesser zwischen 0.4 und 1.5 m und eine Länge von einigen Metern bis über 30 m. Entsprechend dem Pfahldurchmesser wird im Innern meist ein doppel- oder vierfach U-Rohr oder ein Rohrnetz aus Polyethylen eingebracht. Diese Rohre werden komplett mit Beton umgeben, um einen guten thermischen Kontakt herzustellen. In diesem geschlossenen Kreislauf zwischen den Rohrleitungen in den Pfählen und der Wärmepumpe zirkuliert eine Wärmeträgerflüssigkeit um die Wärme oder Kälte mit dem Untergrund auszutauschen.




Diese einfache und zweckmässige Technologie erzeugt keine übermässigen Mehrkosten, muss aber von Anfang an in die Projektplanung bezüglich Konstruktion und Energiekonzept miteinbezogen werden. Zur Zeit gibt es in der schweiz etwa 30 Installationen von energetischen Geostrukturen.


Dock Midfield Flughafen Zürich


Anhand des Beispiel Dock Midfield bei dem unser Büro an der Planung sowie der Ausführung beteiligt war, möchte ich aufzeigen wie das Energiepfahlsystem funktioniert und was zu
beachten ist.

Anlagebeschrieb

Das Dock Midfield ist ein neues Empfangs- und Abfertigungsgebäude für 26 Flugzeuge auf dem Flughafen Zürich. Das 500 m lange und 30 m breite Gebäude steht auf Fundationspfähle welche zur Energiegewinnung genutzt werden.


Technische Aspekte


Das Dock Midfield musste wegen des schlechten Baugrundes auf Pfählen fundiert werden. Es sind 441 stehende Bohrpfähle mit 0,9 bis 1,5 m Durchmesser erforderlich. Diese reichen bis in die Grundmoräne, welche in einer Tiefe von 30 m liegt. Auf dieser tragenden Moräne steht das ganze Gebäude. Die Bohrpfähle mussten mit Stützrohren erstellt werden, welche während dem Verfüllen mit Ortsbeton wiederherausgezogen wurden.
D
er Boden ist bis fast auf Terrainhöhe mit Grundwasser gesättigt, welches infolge der sehr
kleinen Durchlässigkeit des Bodens (tonigsiltige Ablagerungen) praktisch stehend ist.
3
10 der Pfähle wurden mit Kunststoffrohrschlaufen ausgerüstet, d. h. als Energiepfähle ausgerüstet. An den Armierungskörben wurden PE-Rohre montiert, in welchen ein Wärmeträgermedium zirkuliert.

Durch diese Rohre wird eine abgekühlte respektiv erwärmte Flüssigkeit (Wasser-Glykol) gepumpt, wodurch dem Boden Wärme entzogen beziehungsweise zugeführt werden kann. Mit diesem "Wärmetauscher" kann das Erdreich unter dem Dock Midfield als saisonaler Speicher genutzt werden.
Die Energiepfähle stellen eine langfristig sichere Energiequelle dar.

Bau der Energiepfähle


Mit einer detaillierten Planung, der Nutzung von Erfahrungen anderer Vorhaben mit
Energiepfählen und einer engen Zusammenarbeit mit den Unternehmern konnte der Bauablauf stark vereinfacht werden.

Die Vorfabrikation der Pfahleinlagen ermöglichte eine hohe Qualität und vermied
Terminprobleme beim Bau der Energiepfähle in einem sehr engen Zeitraster.


Forschungsprojekt

Für diese innovative Anlage konnte kaum auf Betriebserfahrungen zurückgegriffen werden. Um sicher planen und optimieren zu können, wurde ein Projekt mit finanzieller Unterstützung des Bundesamtes für Energie (BFE) durchgeführt. In Zusammenarbeit mit der ETH Lausanne wurden detaillierte Simulationsrechnungen und ein Response- Test mit zwei Sonden vor Ort durchgeführt. Damit konnte die thermische Bodenleitfähigkeit in situ gemessen werden.

Energetische Aspekte


Der Ertrag der Energiepfähle wurde von der ETH Lausanne (EPFL) simuliert. Die Grundlagen für diese Simulation waren der Pfahlplan, die stundenweise Berechnung des Energiebedarfes aufgrund einer thermischen Simulation des Gebäudes in Zusammenarbeit mit der EMPA sowie das geologische Gutachten der Firma Jäckli AG. Im Winter kann gemäss Berechnungen aus dem Erdreich 1100 MWh Wärme gewonnen werden. Diese Wärme wird teilweise im Sommer als Abwärme eingespeichert, welche sonst mit Kältemaschinen abgeführt werden müsste (ca. 470 MWh). Der restliche Fernwärmebezug des Docks Midfield wird sehr klein (ca. 420 MWh pro Jahr). Der jährliche Strombedarf verändert sich kaum, der Stromverbrauch der Wärmepumpe im Winter wird durch die Einsparung im Sommer (Kühlung über die Energiepfähle) etwa kompensiert. Mit der Energiepfahlanlage im Dock Midfield wird die geforderte Stabilisierung des Energieverbrauchs des ganzen Flughafens unterstützt.
Die Energiepfähle sind eine freiwillige Massnahme für einen möglichst umweltverträglichen Flughafen. Die Energiepfähle ermöglichen ein Gebäude, welches fast als Null-Heizenergiehaus bezeichnet werden kann und für Heizung und Kühlung überwiegend regenerierbare Energie nutzt.





Sommer (Kältebedarf)


Die interne Abwärme des Gebäudes wird mit Umluftgeräten den Räumen entzogen und über das Umluftkühlnetz gesammelt. Diese Abwärme entsteht im Sommer in der Gepäcksortierung sowie ganzjährig in Traforäumen, in den Antriebsräumen des Personen-Transport-Systems und in weiteren technischen Räumen. Im Sommer wird diese überschüssige Wärme direkt mit den Energiepfählen ans Erdreich abgeführt.
Der Kältebedarf für Kühlung der internen Abwärme kann fast vollständig direkt mit den
Energiepfählen und in der Heizperiode mit Wärmerückgewinnung (WRG) gedeckt werden. Nur für wenige Spitzen ist es notwendig, die für den Winter vorhandene Wärmepumpe als Kältemaschine zu nutzen. Diese Betriebsweise dient auch der Sicherheit (Redunanz der Kälteerzeugung). Es können voraussichtlich ca. 470 MWh Kälte pro Jahr direkt mit den Pfählen erzeugt werden, nur ca. 10 MWh sind noch mit der Kältemaschine zu decken. Im weiteren werden mit den Energiepfählen die Räume im UG, insbesondere die Gepäck-Vorsortierung, direkt über den unisoliertem Boden natürlich gekühlt. Ohne Energiepfähle müsste mit einem langsamen Anstieg der Erdtemperatur unter diesen Räumen gerechnet werden. In diesem Bereich werden so die Umluftkühlgeräte sowie der entsprechende Energiebedarf eingespart, der mit ca. 300 MWh Kälte beziffert werden kann. Die Kälte für die Zuluftkühlung auf ca. 18 – 20 °C (Kühlregister in den Monoblocks) im Sommer wird mit separaten Kältemaschinen erzeugt.

Übergangszeit


Mit Free-Cooling könnte die interne Abwärme auch über die vorhandenen Rückkühlwerke auf dem Dach an die Aussenluft abgegeben werden. Gemäss Simulationen wird dieser Betriebszustand aber nicht erforderlich sein.

Winter (Wärmebedarf)


Im Winter wird primär die interne Abwärme mit WRG genutzt (ca. 690 MWh). Dazu dient die Wärmepumpe, die so das Umluftkühlnetz kühlt. Bei zusätzlichem Wärmebedarf wird dem Boden die gespeicherte Wärme wieder entzogen (ca. 1100 MWh), dazu wird ebenfalls die selbe Wärmepumpe eingesetzt. Diese kann bis 630 kW Nutzwärme liefern. Reicht dies nicht (sehr kalte Wintertage), so deckt der Anschluss an das Flughafen-Fernwärmenetz den noch fehlenden Wärmeleistungsbedarf. Damit kann im Winter der Wärmebedarf des Gebäudes überwiegend mit interner Abwärme und Erdwärme gedeckt werden. Die Wärmepumpe mit einer Leistungsziffer von 4 liefert total 2360 MWh Nutzwärme auf ca. 40°C. Ab Fernwärme werden noch 420 MWh Wärme zur Spitzendeckung bezogen.

Kosten

Die Jahreskosten werden dank Energiepfählen um ca. Fr. 16’000.- tiefer. Mit dem Energiepfahlsystem kann erneuerbare Energie auf wirtschaftliche Art genutzt werden.
Die totale Investition für die Energiepfähle beträgt ca. Fr. 1.1 Mio. Demgegenüber konnten Fr. 130'000.- eingespart werden (um 600kW kleinere Wärmeversorgung, im UG Vorsortierung weniger Umluftgeräte).

Die zusätzlichen Investition beträgt somit Fr. 970'000.-.Jährlich verringern sich die
Energiekosten um ca. Fr. 94'000.-; dem stehen um Fr. 11'000.- höhere Unterhaltskosten gegenüber.
Rechnet man mit 30 Jahren Amortisationszeit und 5,5% Zins, so bringen die Energiepfähle einen jährlichen Gewinn von etwa Fr. 16'000.-.
Anders gerechnet kann diese Mehrinvestition dank den Energiekosteneinsparungen innerhalb von 12 Jahren zurückbezahlt werden (ohne Verzinsung).

Diese Berechnungen wurden mit den Energiepreisen der unique (Wärme Fr. 80.-/MWh, Strom Fr. 166.-/MWh) durchgeführt. Die Resultate können sich mit ändernden Energiepreisen stark ändern. Die heutige Situation mit tieferen Stromtarifen und eher höheren Gas und Ölpreisen verbessert die Wirtschaftlichkeit der Energiepfähle deutlich.



Fazit


Die ersten Auswertungen der Messdaten zeigen, dass die Wärmegewinnung aus dem Untergrund gut funktioniert. Die Wärmepumpe, eine der grössten in der Schweiz, läuft bei kalter Witterung fast ununterbrochen. Sie funktioniert dabei sehr effizient und erreicht eine hohe Arbeitsziffer von etwa vier, das heisst, aus einer Energieeinheit Strom werden vier Einheiten Heizenergie erzeugt. Der Energieertrag der Wärmepumpe übertrifft die Erwartungen, was auch die Wirtschaftlichkeit weiter verbessert. Auch die Kühlung im Sommer funktioniert einwandfrei, wie die letzten Sommer gezeigt haben, darunter der Jahrhundertsommer 2003.
Die detaillierte Auswertung der Messdaten wird es Unique ermöglichen, den Betrieb der Anlage weiter zu optimieren. Für die Entwicklung weiterer solcher Energieprojekte werden wertvolle Daten zur Verfügung stehen, um bei der Planung und Berechnung auf Erfahrungswerte zurückgreifen zu können.


Links:

www.hakagerodur.ch
www.geothermal-energy.ch


Urs Balmer

1 Comments:

Blogger Unknown said...

Hallo Herr Balmer,
wir möchten gerne die Grafik in dem Absatz "Energiepfähle" in einer Buchpublikation zum Thema Wärmepumpen verwenden. Es wäre schön, wenn Sie dazu per Mail mit mir Kontakt aufnehmen könnten:
gabriele.fritz@fiz-karlsruhe.de

Vielen Dank und mit freundlichem Gruß
Gabriele Fritz, BINE Informationsdienst, 53113 Bonn

4:54 AM

 

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