Donnerstag, April 16, 2009

Untersteuern, Übersteuern



Die Herausforderung: menschengerechte Steuerung.

Mit grossem Aufwand realisieren wir komplexe Haustechniksysteme. Technik ist im Trend! Wir glauben an mehr Lebensqualität und beruhigen unser schlechtes Gewissen gegenüber der Umwelt. Die Versuchung ist gross, man kann ihr kaum wiederstehen: Automation! Die Systeme sollen, ohne unser zutun, sich an unserem Verhalten anpassen. Wir sind frei! Doch wenn man es genau betrachtet, schaffen wir uns einen weiteren "technischen" Zustand von dem wir abhängig sind. 

Die Systeme werden komplexer, dies erfordert einen erhöhten Steuerungsaufwand. Steuerungstechnisch kann heute beinahe jeder Wunsch erfüllt werden. Von einfachen Schaltungen bis hin zu computergesteuerten Programmen unter Einbezug etlicher Parameter. Doch welche Steuerung für wen? Mag sein, das der Informatiker Freude an einem vollautomatisierten System hätte - der Grossteil der Menschen könnte damit aber kaum etwas anfangen. 


Folgende Situation haben wir vor kurzem im Büro behandelt: in einem kleinen Schulhaus mit vier Klasseneinheiten für geistig behinderte Jugendliche, werden zur Raumlüftung und zur sommerlichen Nachtauskühlung motorisierte Fensterflügel angesteuert. In einem grösseren Schulgebäude steuert man ein solches System normalerweise zentral über einen mit dem Systemlieferanten vernetzten Computer. Für ein kleines Schulgebäude ist ein solches System zu teuer und in der Bedienung zu komplex. 

Für unser kleines Schulhaus ist somit eine wesentliche Entscheidung aus wirtschaftlichen Überlegungen bereits klar. Das System muss über elektronische Schalter (BUS-System) gesteuert werden. Um den Anforderungen gerecht zu werden, müssen Parameter mit Prioritäten fest gelegt werden. Diese Parameter entstehen aus den energietechnischen Anforderungen (Wärmeverlust), witterungsbedingten Anforderungen (Regen, Sturm) und den nutzerspezifischen Anforderungen (Lehrer, Schüler), wobei letzteres einen besonderen Stellenwert einnimmt, da es in den unmittelbaren Alltag eingreift. 

Im Umgang mit den nutzerspezifischen Anforderungen standen zwei Grundhaltungen sich gegenüber. Eine Möglichkeit wäre, in jedem Raum Co2-Sensoren zu installieren, die ab einem bestimmten Co2-Gehalt in der Raumluft eine Stosslüftung auslösen. Für die Qualität der Raumluft ist das sicher die beste Lösung, doch ein solches, zeitlich unkoordiniertes Öffnen mitten im Unterricht wirkt störend, besonders für die wahrnehmungssensiblen Jugendlichen. Eine andere Möglichkeit ist die zeitlich koordinierte Lüftung, welche die Öffnung der Flügel am Ende der Lektion auslöst. So ergibt sich ein Rhythmus, ähnlich dem Pausenklingeln. Das plötzliche öffnen der Lüftungsflügel erlangt so eine Selbstverständlichkeit im Alltag.


Wenn wir diese Anforderung als Grundparameter setzen, sieht unser Schaltsystem wie folgt aus:

Grundparameter: koordinierte, periodische Stosslüftung über Zeitschaltuhr auf Unterrichtszeiten bezogen.

Nebenparameter I: zur energietechnischen Optimierungen (Wärmeverlust im Winter) werden Stosslüftungen in unbelegten Räumen mittels Co2-Sensor verhindert.

Nebenparameter II: kontrollierte Nachtauskühlung bei entsprechender Aussentemperatur gesteuert mit Aussentemperaturfühler und Zeitschaltuhr.

Nebenparameter III: beenden der Nachtauskühlung bei erreichen einer bestimmten Innentemperatur mittels Innentemperaturfühler oder bei ungünstiger Witterung mit Wetterstation.


Ich glaube, wir konnten somit eine den Bedürfnissen entsprechende Steuerung erreichen, die auch eine im Alltag verständliche Logik innehält. 


Die Steuerung und die Bedienung der Haustechnik bedarf einer äusserst sorgfältigen Planung. Ist es doch gerade die Bedienung dieser Dinge, welche täglich stark, meist unbewusst, in das Leben der Bewohner eingreift. Vor allem wir (angehende) Architekten sind in diesem Thema gefordert. Nur wir kennen die die Bedürfnisse des Bauherren in einem solchen Mass, wie es die Planung solcher Steuerungen erfordert. Den bewussten Umgang mit der Steuerung müssen wir lernen.


Jonas Wirth, Stud. HSZ-T, A06


Link:

WindowMaster

Werkschule


1 Comments:

Blogger Haustechnik HSZ-T said...

Ich habe von einem realisierten Projekt gehört- Schulhaus in Winterthur. Dort gab es Probleme, dass das System auch im Winter eingesetzt wurde- Fazit: Zugserscheinungen die motorisierte Fenstersteuerung über CO2 ergab oft gekippte Fenster während dem Unterricht und die Schüler schlotterten...
Note 5

1:59 AM

 

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