Freitag, August 03, 2007

Beitrag von MIZU

Vorwort:

Die beiden Einträge entstammen meinem beruflichen Alltag. Ich arbeite als Praktikant (liess: geringe, jedoch rasant anwachsende praktische Erfahrung) bei einem Projekt mit, dass nun kurz vor Vollendung steht. Es handelt sich hierbei um eine Sanierung eines Gebäudes inklusive Einbau einer Musikschule. Es sind mitunter meine ersten Erfahrungen mit der Haustechnik und den Prozessen, die bei Planung und Realisierung stattfinden und den Einflüssen, welche technische Notwendigkeiten auf den architektonischen Ausdruck ausüben können.


Thema 1: Lüftungsanlagen für eine Musikschule

Bei der Planung wurde davon ausgegangen, dass die Räume nicht mit einer Zu- und Abluftanlage (Lüftungsanlage) ausgerüstet werden, es sollte jedoch ein besserer Komfort als bei Schulzimmern erreicht werden. Dabei wurde, unterstützt durch Untersuchungen, davon ausgegangen, dass bei einer konsequenten manuellen Fensterlüftung die MAK-Werte CO2 nicht überschritten werden. An der gesamten Südfassade wurden Hubschiebefenster eingebaut, die dieses Stosslüften grosszügig erlauben sollen. Zusätzlich soll über einen CO2-Fühler bei Bedarf die kleine Stufe des Abluftventilators in Betrieb genommen werden, um so eine gute Raumdurchspülung zu erreichen.

Für den Grossen Übungsraum, mit einer Ansammlung von bis zu 70 Personen, wurde eine kombinierte Abluftanlage vorgesehen. Sie soll neben der oben erwähnten Pausenlüftung auch für die Nachtauskühlung im Sommer sorgen.

Zur Nachtauskühlung: über Raum- und Aussenfühler wird im Sommer die Temperaturdifferenz erfasst und der Abluftventilator auf der hohen Stufe während der Nachtstunden in Betrieb genommen. Die Aussenluft strömt über Kippfenster, welche über die Fühler getriggert sind und mechanisch geöffnet werden, in den Raum nach. Eine Temperatursimulation hat ergeben, dass bei Einsatz dieser Nachtauskühlung ca. 2 Grad Celsius tiefere Raumtemperatur herrschen werden.

Damit, wie erwähnt, überhaupt auf eine Lüftungsanlage verzichtet werden konnte, musste ein konstruktiver Wärmeschutz realisiert werden. Die grossflächig verglaste Fassade liegt nach Süden hin! Das ganze Obergeschoss, in dem jetzt neu die Musikschule untergebracht ist, musste komplett aussenisoliert werden. Das hatte zur Folge, dass die Fassade gestalterisch neu überdacht werden musste. Schon im Wettbwerb wurde vorgeschlagen, das Profilitband, welches in den beiden unteren Geschossen im Sturzbereich vorhanden ist, auch im Obergeschoss wieder zu installieren. Diese Profilitverglasung wurde nun aber neu als vorgehängtes Element ausgebildet, als eine der Verglasung vorgehängte Verglasung, sozusagen (siehe Schnitt). Somit entsteht zwischen Profilitverglasung und Hubfenster ein durchlüfteter Zwischenraum, in welchem einen grosser Teil der durch Sonneneinstrahlung entstehenden Wärme abgeführt werden kann.







Thema 2: WC-Anlage

Ein weiteres, scheinbar kleineres, wiewohl für eine Anfänger wie mich äusserst delikates, Problem war die Neuorganisation der Nasszellen. Dabei waren wir an die bestehende Gebäudestruktur gebunden: Die Tragstruktur bilden vorfabrizierte Betonbinder, welche, ähnlich einem Schottenbau, die Liegenschaft in verbindliche Axen einteilen, welche von Fassade zu Fassade spannen. Die Vorstellungen der Bauherrschaft von der Bestückung der WC-Anlagen, die rigide Struktur und der knappe zur Verfügung gestellte Raum liessen mich beinahe Verzweifeln. Dazu kommen die rechtlichen Vorschriften, die, zumal bei einem öffentlichen Gebäude, eingehalten werden müssen (Behindertentauglichkeit, Separierung etc). Und, natürlich nicht zuletzt, die technischen Rahmenbedingungen. Ich bin erfahrener Toilettenbenutzer, kenne also beispielsweise Auf- und Unterputzspühlkästen. Das bei der Verwendung des einen oder des anderen unterschiedliche konstruktive, rechtliche oder räumliche Anforderungen berücksichtigt werden müssen, musste ich beim ersten "Selbstversuch" auf schmerzliche Art und Weise erfahren.

Auszugsweise einiges, was mich beschäftigt hat:
- behindertengerechte WC kennen klare Anforderung was Grösse, Bestückung und Zugänglichkeit betreffen. Diese X-Size Toiletten in die bestehende Bausubstanz einzupassen, ist knifflig
- das Amt schaut mit
- Plättlistärken bzw Abrieb sollten in den Plänen eingezeichnet werden, ansonsten schwinden die Raummase am Bau wie Eis an der Sonne
- nicht nur Klosette und Pissoirs müssen verteilt werden. Es gilt Platz zu reservieren für: Seifenspender, Spiegel, Handtuchspender (dies alles auch behindertengerecht), Abfalleimer.
- Hände lassen sich trocknen mit Tuch, Papier (in verschiedenen Falzungen), Luft und natürlich haben die entsprechenden Dispenser alle unterschiedliche Grössen, und der Bewirtschafter kann sich weder für das eine noch das andere entscheiden.
- Plättliausstellungen sind gross, Lieferfristen für die Dinger teilweise lang
- kleinteilige Plättli können einen Raum grösser erscheinen lassen
- Fallleitungen müssen entlüftet werden. Über Dach
- Abflussrohre an Falleitung anzuschliessen benötigt Höhe, es empfhiehlt sich also, Installationsschächte vorzusehen
- müssen Leitungen an der Decke entlanggezogen werden, stellt sich schnell die Frage, ob diese nicht abgehängt werden müsste
- Abhängehöhen können im Zuge der Bearbeitung rasend schnell anwachsen, bis man bald geduckt sein Geschäft verrichten muss
- es reicht nicht Zu- und Ableitungen fürs Wasser einzuplanen, Elektroleitungen sind auch Leitungen
- glücklich der, der die WC-Anlagen natürlich entlüften kann
- wer sich auf den Sanitärplaner verlässt, kann ganz schnell ziemlich alleine dastehen
- was auf dem Papier 15 cm sind (Platzbedarf einer Vormauerung) kann vor Ort schnell auf 20 cm anwachsen
- die Freude am fertigen Produkt kann auch bei einer simplen WC-Anlage ernorm sein, der Stolz darob, was man da alles reingepackt hat, immens
- diese Freude sollte man sich nehmen lassen, auch wenn die Abnahme noch bevorsteht und einige Kabinen wirklich stark geschrumpft scheinen.






Zusammenfassung/Gemeinplätze:

Bauen ist stark haustechnikdurchtränkt. Die überzeugendsten räumlichen Konzepte und die schönsten architektonischen Absichten erleiden Bauchlandung, wenn die technischen Aspekte nicht frühzeitig berücksichtigt werden, und im Verlauf der weiteren Entwicklung seriös mitgetragen werden.
Ein Architekt kann nicht alles wissen. Er muss aber fähig sein, die Probleme rechtzeitig zu erkennen und Spezialisten beizuziehen.
Die Technik kann Fluch und Chance zugleich sein. Auf alle Fälle ist sie notwendig.

1 Comments:

Blogger Haustechnik HSZ-T said...

Ich freue mich, dass Sie solche Erfahrunge gemacht haben! Die Nasszellenplanung ist nicht zu unterschätzen. Viele Details auf kleinstem Raum.

Beim Bericht der Musikschule, CO2, Sonnenschutz, Nachtauskühlung bringen Sie mir die Themen ein bisschen durcheinander.

Note: 4.5

12:52 PM

 

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